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Häufige Behauptungen zur Aufrüstung

Die Mythen der Militarisierung im Faktencheck


Europa steht vor der größten Aufrüstung seit Jahrzehnten. Bald könnte fast jeder zweite Euro aus dem Bundeshaushalt in Militär und kriegsrelevante Infrastruktur fließen.

In Medien und politischen Debatten heißt es, diese Aufrüstung sei zwingend nötig. Aber sind die Fakten wirklich so eindeutig?

Wir haben die häufigsten Behauptungen nüchtern und sachlich überprüft.
Die Ergebnisse finden Sie hier.

Material zum Thema


Faltblatt: Mythen der Militarisierung im Faktencheck


Faltblatt: Mythen der Militarisierung
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Behauptung #1

Die Bundeswehr wurde in den letzten Jahren kaputtgespart

 

Richtig ist:

Die Bundeswehr ist handlungsfähig und in der Lage, ihren Beitrag zur Bündnisverteidigung zu leisten - das zeigt eine Studie des Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC). In den letzten 30 Jahren hat Deutschland im Schnitt sogar mehr Geld für Verteidigung ausgegeben als Frankreich für seine konventionellen Streitkräfte. Von 2014 bis 2024 haben sich die deutschen Militärausgaben zudem mehr als verdoppelt! Von kaputtgespart kann also keine Rede sein.

Die Probleme der Bundeswehr liegen vielmehr daran, dass lange unklar war, was sie überhaupt leisten soll. Auslandseinsätze, "Krieg gegen den Terror" und zu viele externe Beraterinnen und Berater sorgten für immer neue Vorgaben und Strukturen. Dass darüber der Kernauftrag der Landesverteidigung in den Hintergrund geraten ist, hat allein die Politik zu verantworten.

Sehr viel Geld versickert im Beschaffungswesen der Bundeswehr: Die Strukturen sind ineffizient und intransparent. Oft werden viel zu teure und komplexe Waffensysteme geordert. Der Bundesrechnungshof rügt seit Jahren fehlende Korruptionsprävention und mangelhaftes Projektmanagement. Nun warnt er angesichts der neuen Milliarden vor einer "Geld spielt keine Rolle"-Mentalität und fordert grundlegende Reformen.

 

Quellen:

 


 
Behauptung #2

Deutschland muss Verantwortung übernehmen; das geht nur militärisch

 

Richtig ist:

Deutschland ist eines der reichsten und sichersten Länder der Welt - dank einem friedlichen Europa, funktionierender Demokratie und dem Aufbau einer auf Kooperation und Frieden ausgerichteten Weltordnung. Doch all das steht jetzt unter massivem Druck. Daher ist es wichtig, dass Deutschland Verantwortung übernimmt - allerdings nicht in erster Linie militärisch! Zwei andere Bereiche sind deutlich wichtiger:

Die internationale Ordnung wird massiv durch Staaten beschädigt, die ihre Interessen mit militärischer Gewalt und sogar geächteten Waffen wie Landminen und Streumunition durchsetzen wollen. Damit auf der Welt künftig nicht das "Recht des Stärkeren" gilt, sollte Deutschland sich für eine konsequente Einhaltung internationaler Verpflichtungen und des Völkerrechts einsetzen und alle Verstöße klar benennen. Dafür braucht es unter anderem eine Reform und deutliche Stärkung der Vereinten Nationen.

Gleichzeitig werden immer mehr Menschen durch Klimakrise, Hungersnöte und Menschenrechtsverletzungen bedroht. Es ist von zentraler Bedeutung, sie vor Ort zu unterstützen, um eskalierender Gewalt und Vertreibung zuvorzukommen. Jeder Dollar, der in Friedensförderung und -konsolidierung investiert wird, spart laut dem Institute for Economics and Peace ganze 16 Dollar Konfliktkosten. Daher sollte Deutschland die zivile Krisenprävention, Friedensförderung und internationale Zusammenarbeit nicht massiv kürzen sondern deutlich ausbauen.

 

Quellen:

 

 


 
Behauptung #3

2029 könnte Russland Europa angreifen. Ohne die USA sind wir schutzlos ausgeliefert

 

Richtig ist:

Deutschland und Europa sind mit enormen sicherheitspolitischen Herausforderungen konfrontiert. Wir brauchen eine neue Friedensordnung, was auch eine funktionierende Landesverteidigung einschließt. Dafür muss Europa aber nicht aufrüsten: Wie eine Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2024 zeigt, sind die europäischen NATO-Staaten - auch ohne die USA - im Hinblick auf Militärbudgets, Truppenstärke und Großwaffensysteme schon jetzt Russland klar überlegen.

Die schrillen Warnungen aus der Politik sollten daher nüchtern hinterfragt werden: So wird in Interviews mit mehreren Expertinnen und Experten in der ZEIT vom 22. Mai 2025 deutlich, dass es keine schlüssigen Hinweise auf einen großflächigen Angriff Russlands auf die NATO im Jahr 2029 gibt. Professor Carlo Masala (Universität der Bundeswehr) sagt sogar, dass die Sorge der Menschen strategisch genutzt wird, um sie "auf höhere Verteidigungsmaßnahmen einzustimmen".

Die von der NATO beschlossenen Rüstungsausgaben in Höhe von fünf Prozent des BIP würden für Deutschland rund 215 Milliarden Euro pro Jahr entsprechen. Das wären die dritthöchsten Militärausgaben weltweit! Bundeskanzler Friedrich Merz begründet die dafür geplante gigantische Verschuldung damit, man sei bereits "im Krieg mit Putin". Eine solche Kriegsvorbereitung führt in Aufrüstungsspiralen und schlägt alle Türen zu für Rüstungskontrolle, Vertrauensbildung und Diplomatie.

 

Quellen:

 

 


 
Behauptung #4

Verhandlungen sind sinnlos; Aggressoren verstehen nur militärische Stärke

 

Richtig ist:

Der größte Teil aller Kriege endet am Verhandlungstisch. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Forschungsinstitutes Inclusive Peace. Verhandlungen führen demnach eher zu einem nachhaltigen Friedensprozess zwischen Staaten als militärische Erfolge. Sie müssen gut vorbereitet und strukturiert werden und sollten ergebnisoffen beginnen.

Miteinander zu sprechen bedeutet nicht, dass man die Handlungen oder Positionen der Gegenseite legitimiert oder anerkennt. Das sieht man etwa daran, dass sogar zwischen der israelischen Regierung und der Terrororganisation Hamas verhandelt wird. Auch die Ukraine und Russland führen indirekte Gespräche - etwa über den Gefangenenaustausch. Ein aktueller Beitrag im Blog des Peace Research Institute Frankfurt (PRIF) warnt, ohne eine Verhandlungsstrategie verpasse Europa im Ukraine-Krieg "wertvolle diplomatische Chancen".

Die Welt braucht politische Lösungen, um künftige Angriffskriege wie den Russlands auf die Ukraine zu verhindern. Nötig sind daher Gespräche über neue Friedens- und Sicherheitsstrukturen - etwa nach dem Vorbild der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), bei der sich Staaten aus Ost und West im Jahr 1975 auf Prinzipien ihrer Beziehungen und die friedliche Regelung von Streitfällen geeinigt haben. Außerdem ist eine Reform der Vereinten Nationen und eine Rückkehr zur regelbasierten internationalen Ordnung überfällig. All das lässt sich nur durch Diplomatie erreichen.

 

Quellen:

 

 


 
Behauptung #5

Atomare Abschreckung schafft Sicherheit und Frieden

 

Richtig ist:

Atomare Abschreckung ist in erster Linie eine Theorie. Sie geht davon aus, dass die Androhung vollständiger gegenseitiger Vernichtung dazu führt, Aggressionen und Kriege zu verhindern. Das mag einleuchtend klingen; tatsächlich konnte die Wirkung aber bislang noch in keinem Fall nachgewiesen werden. Angesichts von immer mehr Atomwaffenstaaten und immer komplexeren Konflikten muss das Konzept der Abschreckung heute noch stärker angezweifelt werden als in den 1980er-Jahren.

Abschreckung setzt die Bereitschaft voraus, im Zweifel Massenvernichtungswaffen gegen die Bevölkerung eines anderen Landes einzusetzen. Das ist nicht nur ein Verstoß gegen geltendes Völkerrecht, sondern auch eine ständige Bedrohung der Menschheit - denn ein Irrtum, eine Fehleinschätzung oder ein Unfall können jederzeit vorkommen.

Hinzu kommt: Die vermeintliche Sicherheit durch nukleare Abschreckung ist einseitig. Nur einige wenige Länder nehmen sich das Recht heraus, mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen. Die Auswirkungen dieser Politik und das ständige Risiko eines Atomkrieges jedoch betreffen alle Menschen - und machen damit die ganze Welt deutlich unsicherer! Die letzten Jahre des Kalten Krieges haben deutlich gezeigt, dass nicht Abschreckung, sondern Entspannungspolitik und nukleare Rüstungskontrolle zu gemeinsamer Sicherheit und Frieden führen.

 

Quellen:

 

 


 
Behauptung #6

Rüstungsexporte sichern Stabilität und Einflussnahme in strategisch wichtigen Regionen

 

Richtig ist:

Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter sind keine Waren wie alle anderen, sondern Gewaltmittel. Als solche können sie Teil eines staatlich legitimierten Gewaltmonopols sein, andererseits jedoch auch missbraucht werden. Rüstungsexporte haben dabei ein großes Konflikt- und Eskalationspotenzial über viele Jahrzehnte. Dies zeigt sich insbesondere im Nahen Osten, laut SIPRI zwischen 2020 und 2024 die größte Abnehmerregion deutscher Rüstungsexporte.

Bereits 2020 warnte eine SWP-Studie, dass "es nicht ausgeschlossen werden (kann), dass deutsche Rüstungsexporte militärische Auseinandersetzungen in der Region anheizen und so dazu beitragen, Europas direkte Nachbarschaft zu destabilisieren."

Viele deutsche Rüstungsexporte stehen zudem im Widerspruch zu internationalen Verpflichtungen. So beliefert Deutschland etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, die dafür bekannt sind, Waffenembargos zu brechen. Das destabilisiert die Region, schadet der regelbasierten internationalen Ordnung und untergräbt unsere Glaubwürdigkeit.

Rüstungsexporte an autokratische Regime, sogenannte "Stabilitätsanker", senden zudem ein fatales politisches Signal: Mit den Lieferungen wird nicht die Bevölkerung unterstützt, sondern das Regime. Dieses wird dadurch indirekt legitimiert.

 

Quellen:

 

 

 


 
Behauptung #7

Steigende Rüstungsausgaben bringen wirtschaftlichen Aufschwung und sind ein Jobmotor

 

Richtig ist:

Wenn der Staat mehr Geld für Rüstung ausgibt, hat das Folgen: Steigende Staatsverschuldung, Verteilungsdebatten und schmerzhafte Kürzungen bei anderen öffentlichen Aufgaben. Wirtschaftlich profitiert davon in erster Linie die Rüstungsindustrie.

Doch haben wachsende Rüstungsausgaben auch positive Effekte für die Volkswirtschaft? Eine Untersuchung, die im Dezember 2024 in Peace Economics, Peace Science and Public Policy publiziert wurde, hat Daten aus Deutschland, Italien und Spanien analysiert. Tatsächlich stellt sie einen positiven Effekt steigender Rüstungsetats auf die Konjunktur fest.

Die Studie zeigt allerdings auch: Investiert der Staat die gleiche Summe stattdessen in Umweltschutz, Bildung oder Gesundheitswesen, sorgt das für deutlich mehr Wachstum bzw. Arbeitsplätze. Wer also den Rüstungsetat erhöht und gleichzeitig Mittel für Energiewende, Schulen und Krankenhäuser streicht, bremst damit das Wirtschaftswachstum.

 

Quellen:

 


 

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