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Nachrichten - 31. Juli 2025

50 Jahre nach Helsinki: Erklärung zu gemeinsamer Sicherheit und Menschenrechten

Helsinki+50 - 50 Jahre KSZE-Schlussakte
Hintergrundfoto: Rabax63 auf commons.wikimedia.org. CC BY-SA 4.0 [Lizenz]

Vor 50 Jahren wurde in Helsinki die KSZE-Schlussakte unterzeichnet. Beim Festakt zur Erinnerung an dieses wichtige Ereignis stellt die Zivilgesellschaft aus verschiedenen europäischen Staaten heute eine Erklärung zu gemeinsamer Sicherheit und Menschenrechten vor. Ohne Rüstung Leben unterstützt diese Erklärung. Hier finden Sie den Wortlaut in einer deutschen Übersetzung.

 

Die "Helsinki+50 - Erklärung zu gemeinsamer Sicherheit und Menschenrechten" wurde durch die Nordische Friedensallianz erarbeitet, in der Organisationen aus Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland zusammenarbeiten. Unterstützt wird sie von Gruppen und Organisationen aus ganz Europa und darüber hinaus - auch Ohne Rüstung Leben gehört dazu.

Die Erklärung mit allen Unterzeichnenden wurde am gestrigen 30. Juli 2025 persönlich an die Botschaften aller OSZE-Staaten in Helsinki überreicht. Heute wird sie beim offiziellen Festakt zum 50. Jahrestag der Schlussakte von Helsinki vorgestellt.

 


 

Helsinki+50:

Erklärung zu gemeinsamer Sicherheit und Menschenrechten



Präambel

Inspiriert von der Schlussakte von Helsinki, die am 1. August 1975 unterzeichnet wurde, rufen wir - zivilgesellschaftliche Organisationen und Einzelpersonen aus Europa und darüber hinaus - dazu auf, die Zusammenarbeit für gemeinsame Sicherheit und Menschenrechte in Europa neu zu entwickeln und wiederzubeleben.

Die Konferenz von Helsinki ebnete den Weg für zahlreiche positive Errungenschaften, die einem Friedensabkommen für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg - in der Zeit des anhaltenden Kalten Krieges - am nächsten kamen. Der Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg führte zur Gründung der UNO und zur Verabschiedung der unteilbaren Menschenrechte sowie der UN-Charta, die die Grundlage des Völkerrechts bildet.

Die Schlussakte von Helsinki baute auf diesen Errungenschaften auf und förderte die wirtschaftliche, soziale, kulturelle, ökologische, wissenschaftliche und humanitäre Zusammenarbeit. So schuf die Schlussakte von Helsinki das notwendige Umfeld für Entspannung, Rüstungsabbau und eine dynamische Friedens- und Menschenrechtsbewegung von globaler Bedeutung.

Heute brauchen die Welt und Europa eine Wiederbelebung des Geistes von Helsinki. Wir - Organisationen der Zivilgesellschaft und soziale Bewegungen - verpflichten uns, auf die gesamte Schlussakte von Helsinki aufzubauen, um die drängenden aktuellen Probleme anzugehen. Die Notwendigkeit einer erneuerten und erweiterten Zusammenarbeit zu den 1975 behandelten Themen sowie zu den Fragen der Gegenwart ist heute noch dringlicher und muss die Themen Migration, Klima und Frauenrechte einschließen.

Wir fordern Anstrengungen zur Wiederbelebung und zum Ausbau einer europäischen Sicherheits- und Friedensarchitektur und ein Bekenntnis zu den unteilbaren Menschenrechten ohne Doppelstandards. Ebenso setzen wir uns für die Schaffung einer eurasischen Architektur für Frieden, Zusammenarbeit und Sicherheit ein, die auf den Prinzipien von Helsinki beruht und in der Lage ist, regionale und globale Konflikte in der Welt in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu bewältigen.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass bei der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki männliche Diplomaten, Staatsoberhäupter und Journalisten eine überwältigende Mehrheit darstellten. In Anlehnung an den Geist von Helsinki müssen Frauen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung einer modernen Sicherheits- und Friedensarchitektur spielen, die die Bedeutung einer gerechten Geschlechterrepräsentation bei der Verhütung und Lösung von Konflikten, bei Friedensverhandlungen, Friedenskonsolidierung, humanitärer Hilfe und beim Wiederaufbau nach Konflikten anerkennt.

Wir rufen insbesondere die demokratisch aufgebauten Organisationen - die allen Menschen offen stehen, die ihre Ziele teilen - dazu auf, die Tradition von 1975 wieder aufzunehmen und im Interesse der Menschheit und allen Lebens auf diesem Planeten weiterzuführen.

 

Wir, die Unterzeichnenden,

  • inspiriert von den Grundsätzen der Schlussakte von Helsinki von 1975 und der Charta der Vereinten Nationen,
  • in Bekräftigung unseres Bekenntnisses zur friedlichen Koexistenz, zur gemeinsamen Sicherheit, zur Abrüstung im Interesse des sozialen Wohls und des Umweltschutzes sowie zur Achtung der Menschenrechte,
  • in Bekräftigung unseres Bekenntnisses zur Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen, wie sie durch das Völkerrecht garantiert ist, und unserer Verpflichtung, in den internationalen Beziehungen auf die Anwendung oder die Androhung von Gewalt zu verzichten,
  • geleitet von dem Glauben an den gleichen Wert aller Menschen und die Unteilbarkeit ihrer Rechte,
  • in Anerkennung der jedem Menschen innewohnenden Würde und der dringenden Notwendigkeit, gemeinsame Verpflichtungen in Wort und Tat einzuhalten und
  • verpflichtet zu einer internationalen Zusammenarbeit ohne doppelte Standards, die nicht von den kurzfristigen Interessen von Staaten oder Unternehmen, sondern von einer gemeinsamen Verpflichtung gegenüber der Menschheit und künftigen Generationen geleitet wird,

 

erklären das Folgende:

  1. Wir betrachten das Recht auf gleiche Souveränität für alle Staaten, das sowohl sicherheitspolitische als auch umweltpolitische, wirtschaftliche, kulturelle und andere Aspekte im Einklang mit dem Völkerrecht einschließt, als zentral für einen erneuerten "Geist von Helsinki", solange dies nicht zu Lasten anderer geht.

  2. Wir unterstützen die Entwicklung eines Rahmens für gemeinsame Sicherheit, in dem die Sicherheit eines Staates als untrennbar verbunden mit der Sicherheit aller Staaten verstanden wird.

  3. Wir bekräftigen, daß alle Menschenrechte - staatsbürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle - voneinander abhängig und oft auch unteilbar sind, wobei wir ihren politischen Charakter und die Notwendigkeit von Pluralismus und demokratischen Prozessen bei ihrer Festlegung anerkennen.

  4. Wir betonen insbesondere die sozialen Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie und Kleinbäuerinnen und -bauern, indigenen Völkern, Migrantinnen und Migranten als einen Grundpfeiler der gemeinsamen Sicherheit.

  5. Wir betonen das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen und fordern dessen Verankerung im internationalen Menschenrechtsrahmen.

  6. Wir fordern proaktive und frühzeitige Bemühungen zur Konfliktverhütung und -beilegung und betonen die volle, gleichberechtigte und bedeutsame Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen, unter anderem durch den wirksamen Einsatz von OSZE-Mechanismen und gendergerechten Instrumenten zur Friedenskonsolidierung.

  7. Wir erkennen die Rechte und den Schutz von Geflüchteten und Asylsuchenden an; wir schlagen neutrale humanitäre Korridore für getrennte Familien und Garantien für ein Recht Familienzusammenführung, Visaerteilung und sichere Reisewege vor.

  8. Wir erkennen das Recht auf Wahrheitsfindung und die Bedeutung der Weitergabe von Erinnerungen sowie der generationsübergreifenden und internationalen Versöhnung an, wobei unsere gemeinsame Geschichte als Menschheit den Eckpfeiler bildet.

  9. Wir bekennen uns in vollem Umfang und in gutem Glauben zu Prinzip vii der Schlussakte von Helsinki über die Menschenrechte, lehnen aber die Instrumentalisierung oder selektive Berufung auf die Menschenrechte als Rechtfertigung für Einmischungen ab, die von strategischen, geopolitischen oder wirtschaftlichen Interessen geleitet werden. Das Eintreten für die Menschenwürde muss frei bleiben von einer Vereinnahmung durch nationale oder unternehmerische Agenden.

  10. Wir erkennen das Recht und die Verantwortung der Zivilgesellschaft und der sozialen Bewegungen an, grenzüberschreitende Anliegen zur Verteidigung der Menschenrechte vorzubringen.

  11. Wir bekräftigen, daß echte innere Demokratie in einem Land weder von der Rede- und Versammlungsfreiheit getrennt werden kann, noch von der Anerkennung der globalen Ungleichheiten in bezug auf militärische Macht, Kontrolle über natürliche Ressourcen, wirtschaftlichen Einfluss von Unternehmen und technologische Kontrolle, die die nationale und internationale Politik bestimmen.

  12. Wir bekräftigen den Grundsatz der Nichteinmischung eines oder mehrerer Staaten in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten.

  13. Wir fordern alle Akteure - Regierungen, internationale Institutionen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft - nachdrücklich auf, ihr Handeln an ihren eingegangenen Verpflichtungen auszurichten und die Übereinstimmung zwischen den erklärten Werten und den gelebten Realitäten sicherzustellen.

  14. Wir rufen dazu auf, den Dialog mit allen Regierungen, insbesondere den neutralen und bündnisfreien, sowie mit den Vereinten Nationen und regionalen Organisationen zu erneuern, um die multilaterale Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Kultur auf Grundlage der gegenseitigen Achtung zu verstärken und bessere gemeinsame Institutionen zu entwickeln.

  15. Wir unterstreichen die Bedeutung regionaler Übereinkünfte und betonen gleichzeitig, daß solche Übereinkünfte den Unterzeichnern nicht erlauben, in anderen Bereichen gegen das Völkerrecht zu handeln.

  16. Wir betonen, dass Frieden, Sicherheit und weltweite Abrüstung für das soziale Wohl, ökologische Nachhaltigkeit und den Schutz künftiger Generationen von wesentlicher Bedeutung sind. Die Militarisierung der internationalen Beziehungen stellt eine ernste Bedrohung für die Menschheit und den Planeten dar.

  17. Wir betonen die Notwendigkeit, die Klimakrise und den Verlust der biologischen Vielfalt als grundlegende Herausforderungen für die menschliche Sicherheit anzugehen, die globale Solidarität und sofortiges Handeln erfordern.

  18. Seit der Schlussakte von Helsinki 1975 hat eine Mehrheit der Staaten der Welt durch den UN-Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (2021) einen wichtigen Schritt in Richtung gemeinsame Sicherheit getan. Wir fordern alle Staaten auf, diesen Vertrag zu unterzeichnen und zu ratifizieren und damit auf nukleare Abschreckung zu verzichten.

  19. Wir betonen, dass digitale und Cyber-Sicherheit wesentliche Bestandteile der menschlichen Sicherheit und Souveränität sind. Die Militarisierung des digitalen Raums und der Einsatz von autonomen Waffensystemen, Desinformation, Massenüberwachung und KI-gesteuerter Ungleichheit bedrohen Grundfreiheiten, demokratische Regierungsführung und den internationalen Frieden. Wir fordern die Entwicklung von menschenrechtsbasierten, transparenten und global koordinierten Rahmenbedingungen für digitale Regierungsführung und Cyberpeace.

  20. Wir erkennen an, dass alle oben genannten Forderungen voneinander abhängig sind und gleichzeitige Anstrengungen zur Beseitigung der immensen wirtschaftlichen Ungleichheiten und der Machtkonzentration erfordern.

  21. Wir verpflichten uns, zu einer friedlichen, gerechten und ökologisch nachhaltigen Weltordnung beizutragen, die auf Gleichheit, Gewaltlosigkeit, Dialog und Achtung vor der Integrität allen Lebens beruht.


Zu diesem Zweck bekräftigen wir diese Erklärung als Ausdruck unserer gemeinsamen Werte und Absichten und laden andere - Regierungen, Organisationen und Einzelpersonen gleichermaßen - ein, sich uns in ihrem Geist anzuschließen.

 

(Verfasst durch die Arbeitsgruppe Helsinki+50 der Nordischen Friedensallianz, übersetzt aus dem Englischen durch Ohne Rüstung Leben)

 


 


Unterzeichnende Organisationen


World Beyond War (International), 

Naiset Rauhan Puolesta – Kvinnor för Fred – Women for Peace (Finland), 

Folk mot DCA – för fred, demokrati och klimaträttvisa (Sweden), 

17 Basområden (Sweden), 

Forbyd Atomvåben – ICAN i Danmark (Denmark), 

Fredsministerium (Denmark), 

International Partnership for Human Rights - IPHR (International), 

Center for Civil Liberties (Ukraine), 

WILPF Switzerland (Switzerland), 

Nej til Oprustning – Ja til Bæredygtig Sikkerhedspolitik (Denmark), 

Århus mod Krig og Terror (Denmark), 

WILPF Finland (Finland), 

Swedish Peace Committee - Svenska Fredskommittén (Sweden), 

International Peace Bureau (International), 

The International Centre for Civil Initiatives “Our House” - Nash Dom - Vilnius (International), 

AWMR Italia – Donne della Regione Mediterranea (Italy), 

Canadian Unitarians for Social Justice (Canada), 

NGO Committee for Disarmament, Peace and Security (International/UN), 

Kvinnor för Fred (Sweden), 

Ohne Rüstung Leben (Germany), 

Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung (Germany),

Naturefriends Greece (Greece), 

Beyond Nuclear (USA), 

Arab Human Security Network (Palestine), 

WILPF UK (UK), 

Colonie des Pionniers de Développement (Canada), 

Peace Movement Aotearoa (New Zealand), 

Aotearoa New Zealand Campaign on Military Spending (New Zealand), 

Aotearoa New Zealand Network on Explosive Weapons (New Zealand), 

ICAN Aotearoa (New Zealand), 

Women, Peace and Security (WPS) NGO Network Aotearoa New Zealand (New Zealand), 

Blue Banner (Mongolia), 

Hardangerakademiet (Norway), 

Nuclear Ban US (USA), 

Latinamerikagrupperna / Solidaridad Suecia – América Latina (Sweden), 

Internationaler Versöhnungsbund (Austria), 

Zukunftskonvent Germany (Germany), 

Heartpolitics (Scotland), 

WILPF Norway (Norway), 

Global Action – People and the Planet before profit (Denmark), 

Institut for Diapraxis (Denmark), 

The Irish Campaign for Nuclear Disarmament (Ireland), 

Organization VPGL - Volontaires des Pays des Grands Lacs (Democratic Republic of Congo, DRC), 

FriedensATTAC (Austria), 

AbFaNG – Aktionsbündnis für Frieden, aktive Neutralität und Gewaltfreiheit (Austria), 

Aldrig Mere Krig (Denmark), 

Pax Christi Toronto (Canada), 

Rete Italiana Pace e Disarmo (Italy),

WILPF Danmark (Denmark), 

Nordic Peace Alliance (Norway, Denmark, Sweden, Finland), 

Fredsinitiativet Roskilde (Denmark), 

Frauennetzwerk für Frieden / Women’s Network for Peace (Germany), 

Women’s International League for Peace and Freedom Canada (Canada), 

Esbjerg Peace Movement (Denmark), 

Environmental association Za Zemiata - FoE Bulgaria (Bulgaria), 

Amigas de la Tierra España (Spain), 

World Without Wars and Violence (Greece), 

Jordens Vänner (Sweden),

Norges Fredslag (Norway).


Hier finden Sie die "Helsinki+50 - Erklärung zu gemeinsamer Sicherheit und Menschenrechten" im englischen Original mit allen Unterzeichnenden

 


 

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Schlussakte von Helsinki


Am 1. August 1975 endete die erste Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Ihr Abschlussdokument - die Schlussakte von Helsinki - legte mitten im Kalten Krieg den Grundstein für Dialog und Vertrauensaufbau.

35 Staaten aus Ost und West einigten sich darin auf Grundregeln der Beziehungen, gemeinsame Prinzipien und die friedliche Regelung von Streitfällen. Damit läuteten sie das Ende des Eisernen Vorhangs ein.


 
Mehr zum Thema lesen Sie in der aktuellen Ausgabe unserer Zeitung "Ohne Rüstung Leben-Informationen 193":

 

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