Ohne Rüstung Leben e.V.
Frieden politisch entwickeln

Nachrichten - 4. Juli 2025

Kooperationsprojekt zu Atomwaffen: Planspiel für Schulen, Gedenkaktion und Podium in Kaiserslautern

Taiko-Trommelgruppe TENNOGAWA
Die Taiko-Trommelgruppe TENNOGAWA im Japanischen Garten. Foto: Ohne Rüstung Leben

Vor 80 Jahren begann das Atomzeitalter. Am 27. und 28. Juni haben wir dies zum Anlass für mehrere Veranstaltungen in Kaiserslautern genommen. Aus unserer Kooperation mit der Friedensakademie Rheinland-Pfalz und weiteren Organisationen entstanden außerdem verschiedene Projekte für junge Menschen. Lesen Sie hier unseren ausführlichen Bericht. 

 


 

Gedenkveranstaltung: Stimmen der Überlebenden


Vor der beeindruckenden Kulisse des Japanischen Gartens in Kaiserslautern begrüßte Dr. Gregor Walter-Drop, der wissenschaftliche Geschäftsführer der Friedensakademie Rheinland-Pfalz, die Besucherinnen und Besucher. Er betonte die Relevanz des Themas angesichts der weltweiten nuklearen Aufrüstung:

"Wenn wir heute - 80 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki - der Opfer und Überlebenden von Atomwaffen gedenken, so sollten wir das in dem Bewusstsein tun, dass es sich keineswegs um ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte handelt."

Berührende Zitate von Überlebenden

Um an die Überlebenden zu erinnern, trugen die professionellen Sprecherinnen Aglaja Stadelmann und Isabelle Boslé ausgewählte Geschichten und Zitate vor. Begonnen mit einem Bericht von Barbara Kent, die als Dreizehnjährige in den USA der unmittelbaren Strahlung des Trinity-Atomtests ausgesetzt wurde, über Erinnnerungen von Hibakusha aus Hiroshima und Nagasaki bis hin zum Appell der jungen Aktivistin Bedi Racule von den Marschallinseln.

Die berührenden Worte machten das schwer vorstellbare Grauen und die Gefahr greifbar, die von Atomwaffen ausgehen. Sie wurden eingerahmt und begleitet von den Klängen der Taiko-Trommelgruppe TENNOGAWA aus Kaiserslautern. Gemeinsam mit der Natur des Japanischen Gartens entstand so ein würdevoller gemeinsamer Moment des Gedenkens und des Bewusstseins. Viele Besucherinnen und Besucher kamen danach noch ins Gespräch oder versuchten sich daran, einen Origami-Kranich zu falten.


Hier finden Sie eine Dokumentation der Texte und Zitate [PDF-Download]

 

Die Sprecherinnen Isabelle Boslé und Aglaja Stadelmann. Foto: © Elmer L. Geissler

Isabelle Boslé und Aglaja Stadelmann trugen Zitate von Überlebenden vor. Fotos: Elmer L. Geissler

 


 

Podium: Sicherheit ohne Atomwaffen - (Wie) Kann das gelingen?


Auf die Gegenwart und die mögliche Zukunft blickte das Podiumsgespräch am Folgetag auf dem Campus der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) in Kaiserslautern. Unter der Leitung von Simon Bödecker (Ohne Rüstung Leben) ging es unter anderem um den Krieg im Nahen Osten, die Debatte über europäische Atomwaffen und die Entwicklungen in Japan.

"Nichts anderes als ein Horrorszenario"

Dr. Walter-Drop stellte klar, dass die Forderung nach europäischen Atomwaffen nicht umsetzbar sei. Wer die dahinterstehende Argumentation zu Ende denke, müsse die vielen rechtlichen und politischen Hindernisse erkennen. Walter-Drop befürchtet daher, dass die Debatte letztlich zu einer Forderung nach deutschen Atomwaffen führen wird. Das aber wäre das Ende des Nichtverbreitungsvertrages und der Beginn einer Welt mit immer mehr Atomwaffenstaaten. "Ich kann darin nichts anderes als ein Horrorszenario sehen", betonte Walter-Drop.

Er plädierte dafür, die Prämissen der aktuellen Sicherheitspolitik zu hinterfragen und zu diskutieren. Welche Bedrohung für Europa geht wirklich von Russland aus? Ist es tatsächlich so, dass die USA sich von den europäischen NATO-Staaten abwenden? Und welche sicherheitspolitischen Handlungsoptionen ergeben sich aus einer nüchternen Betrachtung der Situation? Es sei zutiefst beunruhigend, dass diese nötigen Debatten in Deutschland aktuell nicht geführt, sondern unterdrückt werden.


Japanische Außenpolitik im Wandel

Dr. Sumiko Hatakeyama - Vorstandsmitglied der Organisation Peace Boat und Dozentin an der Waseda University und der Rikkyo University - nahm von Tokio aus an der Diskussion teil. Sie berichtete über die Entwicklungen in Japan. Die vormals stark pazifistische Außenpolitik habe sich in den letzten zehn Jahren gewandelt. Die Verteidigungsausgaben steigen, Rüstungsexporte sollen in mehr Fällen möglich sein und die Mitarbeit in militärischen Bündnissen wird ausgebaut. All dies sei vor dem Hintergrund der Spannungen um Korea und Taiwan zu sehen und werde in der Bevölkerung auch kritisch verfolgt.

Gleichzeitig sei es 80 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki ein wichtiges gesellschaftliches Thema, dass die Zahl der Überlebenden der Atombombenabwürfe immer geringer wird. Eine sehr breite, lokal aufgestellte Zivilgesellschaft sorge dafür, dass die Erinnerung wachgehalten wird und der größte Teil der Menschen in Japan Atomwaffen klar ablehnt. Was Politik und Bevölkerung eine, sei zudem die Ablehnung von Machtpolitik und nationalen Militäreinsätzen und der klare Fokus auf Diplomatie und das Völkerrecht - etwa die ausnahmslose Einhaltung des Nichtverbreitungsvertrages.


Angriff auf den Iran könnte nukleare Ambitionen verstärken

Der Politikwissenschaftler Dr. Steffen Hagemann hat viele Jahre in Tel Aviv gelebt. Er ordnete die Angriffe auf iranische Atomanlagen ein: Einerseits sei verständlich, dass Israel seine Existenz durch iranische Atomwaffen bedroht sehe. Andererseits sei es ein offenes Geheimnis, dass Israel selbst über Atomwaffen verfügt. Zudem sei das israelische Militär mittlerweile auch konventionell den Nachbarländern weit überlegen. Mit Unterstützung der USA sei eine Asymmetrie entstanden. Hagemann betonte, kein militärischer Angriff habe jemals zur Beendigung eines Atomwaffenprogramms im Nahen Osten geführt. Diese seien stets unter größerer Geheimhaltung weitergeführt worden.

Im Iran gäbe es innenpolitische Diskussionen darüber, ob Atomwaffen überhaupt erstrebenswert seien. Die Angriffe, die mit der Intention eines Regimewechsels einhergingen, könnten jetzt jedoch die gegenteilige Wirkung haben: Nicht nur der Iran, sondern auch Staaten wie Syrien, Saudi-Arabien, die Türkei oder die Vereinigten Arabischen Emirate könnten ihre nuklearen Ambitionen verstärken. Den Weg zu einem atomwaffenfreien Nahen Osten sieht der Nahostexperte nur über den Aufbau einer stabilen Friedensordnung in der Region - also ganz am Ende eines Prozesses, der aktuell in weiter Ferne liegt. 

 

Posiumsgespräch zu Atomwaffen an der RPTU Kaiserslautern. Foto: © Julian Wisser

Dr. Steffen Hagemann, Juliane Hauschulz, Dr. Gregor Walter-Drop und Simon Bödecker auf dem Podium an der RPTU Kaiserslautern. Foto: © Julian Wisser

 

"Die Mehrheit sieht Atomwaffen als Gefährdung ihrer Sicherheit"

Dieser Zusammenhang zeigt sich auch auf globaler Ebene, wie Juliane Hauschulz, Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland und Referentin der IPPNW Deutschland, betonte. Es sei daher wichtig, die bestehenden Initiativen zum Aufbau von Vertrauen, zur Verifikation und für gemeinsame Sicherheit zu stärken. Hauschulz betonte, dass von den mehr als 190 Staaten der Welt nur 9 tatsächlich Atomwaffen besitzen und etwa 35 weitere Teil von atomaren Bündnissen sind. Im Gegensatz dazu hätten sich mehr als 140 Staaten sogar bewusst einer atomwaffenfreien Zone angeschlossen.

"Die Mehrheit der Staaten sieht in Atomwaffen keine Sicherheitsgarantie, sondern eine Gefährdung ihrer Sicherheit", so Hauschulz. Durch die Arbeit im Rahmen des Atomwaffenverbotsvertrags, dem immerhin bereits 74 Staaten angehören, werde der Weg zur nuklearen Abrüstung vorbereitet. Zudem biete sich hier ein Forum für die Betroffenen von Atomwaffeneinsätzen und -tests, um eine gemeinsame Stimme zu finden. Eine Perspektive, die in den Diskursen des Globalen Nordens größtenteils ausgeblendet werde.


Nötig sind Wissen und Austausch

Die Expertinnen und Experten auf dem Podium waren sich einig, dass der Weg zu einer atomwaffenfreien Welt noch lang und weit ist. Nötig sei jetzt vor allem, das Wissen über die atomaren Gefahren wieder zu stärken und deutlich zu machen, dass es sich dabei um eine der zentralen Zukunftsfragen der Menschheit handele.

Den Austausch zwischen Menschen aus unterschiedlichen Weltregionen zu fördern - wie es die japanische Organisation Peace Boat auf ihren Fahrten über die Weltmeere macht - sei eine weitere wichtige Aufgabe. Gerade die Berichte und Perspektiven der Betroffenen und Überlebenden von Atomwaffen bekämen aktuell noch viel zu wenig Raum.

 


 

Planspiel und Kunstprojekte für Schülerinnen, Schüler und Studierende


Ein wichtiges Ziel unserer Zusammenarbeit mit der Friedensakademie Rheinland-Pfalz war es, zu erreichen, dass auch an Schulen und Universitäten mehr über atomare Abrüstung gesprochen und debattiert wird. Hierzu haben wir weitere Projekte auf den Weg gebracht:


Illustrationen von Studierenden im Programmheft. Foto: © Ohne Rüstung Leben

Illustrationen von Studierenden in unserem Programmheft. Foto: Ohne Rüstung Leben


Ausstellung zu Atomwaffen auf dem Uni-Campus

Aus Anlass unseres Podiumsgespräches wurde die Plakatausstellung ARTISTS AGAINST THE BOMB im Foyer des Audimax vorgestellt. Diese versammelt verschiedene künstlerische Perspektiven auf die verheerenden Folgen von Atomwaffen und regt zum Nachdenken an. Sie war im Anschluss mehrere Tage lang an dem zentralen Ort des Universitätscampus in Kaiserslautern zu sehen.

 

Studierende schaffen einmalige Illustrationen

Das Programmheft zur Veranstaltungsreihe enthält auf fast 100 Seiten verschiedene Illustrationen und Graphic Novels. Sie sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit dem Dozenten Niv Shpigel - preisgekrönter Animationsfilmemacher und Illustrator.

Auf unseren Impuls hin gab er seinen jungen Studierenden an der SRH Berlin University of Applied Sciences die Aufgabe, sich mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki auseinander zu setzen. Heraus kamen berührende, spannende und sehr sehenswerte Kunstwerke.

Restliche Programmhefte können Sie - solange der Vorrat reicht - kostenlos bei unserer Geschäftsstelle bestellen.

 

Planspiel "Atomwaffenpolitik" für Schülerinnen und Schüler

Ein weiteres Ergebnis der Zusammenarbeit der Projektpartner Friedensakademie Rheinland-Pfalz, Ohne Rüstung Leben, ICAN und IPPNW ist das Planspiel "Atomwaffenpolitik" für Schulen. Es simuliert die Arbeit einer Expertenkommission: Die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler bekommen die Aufgabe, für die Bundesregierung Empfehlungen zur Zukunft der deutschen Politik mit Blick auf Atomwaffen auszuarbeiten. Dabei nehmen sie verschiedene Rollen ein, setzen sich intensiv mit Atomwaffen auseinander und lernen unterschiedliche Sichtweisen und Argumente zum Thema kennen.

Das Planspiel wurde im Auftrag der Projektpartner von der Firma "Planpolitik" aus Berlin entwickelt. Dies geschah in Abstimmung mit dem Landesverband Rheinland-Pfalz der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung (DVPB), dem Fachberater Sozialkunde für die Region Pfalz, sowie der "Servicestelle Friedensbildung" der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg. Es wird ab dem Schuljahr 2025 / 2026 für den Einsatz an Schulen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg kostenlos zur Verfügung stehen.

Wenn Sie Lehrerin oder Lehrer bzw. Schulleiterin oder Schulleiter sind und Interesse an dem Planspiel haben, wenden Sie sich gerne an Ohne Rüstung Leben.

 


 

Projektpartner


Die Veranstaltungsreihe "Im Schatten des Atompilzes" in Kaiserslautern und die weiteren Projekte wurden organisiert und durchgeführt von CampusKultur an der RPTU, der Friedensakademie Rheinland-Pfalz, ICAN Deutschland, IPPNW Deutschland und Ohne Rüstung Leben.

 


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Material zum Thema


Faltblatt: 80 Jahre Hiroshima & Nagasaki

Faltblatt: 80 Jahre Hiroshima & Nagasaki [PDF-Download, 810 KB]

 

Programmheft: Im Schatten des Atompilzes

Programmheft: Im Schatten des Atompilzes. (Mit zahlreichen Illustrationen von Studierenden der SRH Berlin University)

 

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