Ohne Rüstung Leben e.V.
Frieden politisch entwickeln

Nachrichten - 7. Juli 2023

Was ist von der neuen "Nationalen Sicherheitsstrategie" der Bundesregierung zu halten?

Nationale Sicherheitsstrategie zur Friedensstrategie machen

Deutlich später als geplant hat die Ampel-Regierung ihre "Nationale Sicherheitsstrategie" vorgelegt. Das mehr als 70 Seiten lange Papier wurde bereits von verschiedenen Seiten deutlich kritisiert. Doch was bedeutet es für die künftige Friedenspolitik? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

 

Warum gibt es die "Nationale Sicherheitsstrategie"?

Die Ampel hatte im Koalitionsvertrag bereits für ihr erstes Regierungsjahr eine "Nationale Sicherheitsstrategie" angekündigt, sich dann jedoch in zentralen Fragen nicht einigen können. Ziel der Strategie war ein umfassendes Verständnis von Sicherheit. Darauf aufbauend sollten die Rahmenbedingungen und Leitlinien der internationalen Politik Deutschlands festgeschrieben und ressortübergreifend umgesetzt werden.

"Weil neue Bedrohungen komplex sind und alle Bereiche von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft treffen, spannen wir unsere Sicherheitspolitik 'integriert' über all diese Bereiche", betont etwa Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Zu erwarten waren also eine klare Analyse besonders großer Gefahren für die Menschen in Deutschland sowie richtungweisende Konzepte, wie die Politik diesen umfassend und nachhaltig begegnen kann.

Wie positioniert sich Ohne Rüstung Leben zur Sicherheitsstrategie?

Ohne Rüstung Leben hatte frühzeitig gefordert, das Papier zu einer Friedensstrategie zu machen. Kriege, insbesondere drohende Atomwaffeneinsätze, die Folgen der Klimakrise und das Kollabieren von Ökosystemen sowie ein unkontrollierter Einsatz von KI sind laut Expertinnen und Experten derzeit die größten Gefahren für die Menschheit.

Die Politik sollte das Konzept der Menschlichen Sicherheit und die Sicherheit der Grundlagen menschlichen Lebens in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehört zuallererst Prävention und eine Bewältigung der Ursachen von Gewaltkonflikten. Diplomatie, Zivile Konfliktbearbeitung und Abrüstung sollten immer Vorrang haben. Zudem braucht es entschlossenes Handeln, um Klimakrise, Hunger, Pandemien und Artensterben zu bekämpfen.

Welchen Ansatz verfolgt die "Nationale Sicherheitsstrategie"?

Auffällig an dem nun veröffentlichten Papier ist zunächst der Duktus: Er ist geprägt von einer geopolitischen Einteilung der Welt in (westliche) Verbündete und "systemische Rivalen", vielen Wiederholungen und unkonkreten Formulierungen. Sechs Seiten lang ist die Beschreibung des "Sicherheitspolitischen Umfeldes": Eine unstrukturierte Auflistung unterschiedlichster Bedrohungen für Staat, Wirtschaft und Menschen.

Als Grundlage der Sicherheitspolitik werden die zahlreichen "Werte und Interessen" von Deutschland und seinen Partnern genannt. "Förderung von Frieden und Stabilität" sowie der "nachhaltige Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen" stehen dabei in der Rangordnung erst deutlich hinter "Festigung der transatlantischen Allianz" und "Wohlstand".

Welche Kernaussagen hat die "Nationale Sicherheitsstrategie"?

In drei Bereichen werden die zahlreichen Vorhaben, Bekenntnisse und Wünsche aufgelistet. Im Bereich "Wehrhaft" bekennt die Bundesregierung sich beispielsweise zur glaubwürdigen "Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit" sowie einer Stärkung von Bundeswehr, NATO und Verteidigungsindustrie. Versorgungssicherheit und Katastrophenschutz sollen verbessert werden. Auf EU-Ebene wird unter anderem eine Stärkung der militärischen Zusammenarbeit (PESCO, Friedensfazilität) und eine EU-Osterweiterung angestrebt.

Im Bereich "Resilient" sollen Extremismus, Desinformation, hybride Bedrohungen und feindliche Spionage bekämpft werden. Deutschland will sich für die Durchsetzung von Völkerrecht und Menschenrechten einsetzen und sich weiter stark bei den Vereinten Nationen engagieren. Weitere Ziele sind eine offene und faire Handelspolitik, sichere Rohstoffversorgung, Investitionen in Kritische Infrastruktur, neue Handelsabkommen mit globalen Partnern, der Schutz internationaler Seewege und zahlreiche Maßnahmen für mehr Cybersicherheit.

Im Bereich "Nachhaltig" betont die Bundesregierung, ihre Klimaziele einhalten zu wollen und den Klimaschutz zu fördern. Gemeinsam mit dem BND sollen die Auswirkungen der Klimakrise auf die nationale Sicherheit analysiert werden. Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz sollen gestärkt und Abfall vermindert werden. Mit verschiedenen Maßnahmen will die Bundesregierung die weltweite Ernährungssicherheit unterstützen und - unter anderem gemeinsam mit der WHO - die Pandemieprävention stärken.

Was ist aus friedenspolitischer Sicht von der Strategie zu halten?

Friedenspolitische Organisationen haben die Nationale Sicherheitsstrategie bereits scharf kritisiert. Der starke Fokus auf Rüstung und Militär werde den vielfältigen Herausforderungen nicht gerecht. Unterschiedliche Sicherheitsinteressen - etwa die Sicherheit der Menschen im Globalen Süden - fänden zudem viel zu wenig Beachtung. Frieden spielt in der Strategie eine völlig untergeordnete Rolle und wird größtenteils auf militärische Wehrhaftigkeit reduziert.

Aufrüstung, eine Stärkung der Rüstungsindustrie und geopolitische Ziele schaffen jedoch keinen Frieden! Zudem steckt die Strategie voller gefährlicher Wiedersprüche: Besonders kritisch ist das klare Bekenntnis zur nuklearen Teilhabe in der NATO bei gleichzeitigem Ruf nach Abrüstung. Das restriktive Rüstungsexportkontrollgesetz wird als Ziel genannt, über Rüstungsexporte soll jedoch gleichzeitig auch auf Grundlage von "Bündnis- und Sicherheitsinteressen" sowie "geostrategische[n] Herausforderungen" entschieden werden.

An verschiedenen Stellen finden sich auch ermutigende Aspekte in der Strategie wieder - etwa das Bekenntnis zur Bekämpfung von Hunger und Klimakrise, zur Unterstützung der OSZE bei Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung oder zu den wichtigen "Leitlinien zur Krisenverhinderung, Konfliktbewältigung und Friedensförderung". Doch auch hier bleibt vieles unkonkret oder unklar: Krisenengagement und Entwicklungspolitik sollen etwa stärker an "strategischen Interessen" ausgerichtet werden - was das bedeutet, lässt die Strategie offen.

Was wird die "Nationale Sicherheitsstrategie" bewirken?

Den Namen "Strategie" hat das Papier eigentlich nicht verdient: Die Ampel-Parteien haben in erster Linie ihre längst bekannten, teils widersprüchlichen Pläne und Vorstellungen aufgelistet. "Konkrete Ziele, Aufgaben und Selbstverpflichtungen kann man der Strategie nicht entnehmen. Daher wird sie vermutlich nur geringen Einfluss auf die Steuerung der politischen Praxis entfalten", urteilt Dr. Martina Fischer von "Brot für die Welt".

Dennoch ist festzuhalten, dass die Ampel auf bedenkliche Art und Weise militärisches Denken, Geopolitik und interessengeleitete Außenpolitik in den Mittelpunkt stellt und darüber Rüstungskontrolle, Krisenprävention und die Bewältigung von Konfliktursachen aus dem Blick verliert. Der Bundeshaushalt 2024 - um den in den kommenden Monaten noch weiter gerungen wird - wird nun zum nächsten Gradmesser für die tatsächlichen Prioritäten der Regierung.

Wie kann Krisenprävention mit zivilen Mitteln gelingen?

Ohne Rüstung Leben fordert, dass die deutsche Politik aus Fehlern lernt und sich besser darauf vorbereitet, künftigen Konflikten zu begegnen, bevor sie eskalieren. Was dafür nötig ist, haben rund 80 Expertinnen und Experten aus Friedensforschung und -praxis im Rahmen eines Fachgespräches der "Plattform Zivile Konfliktbearbeitung" entwickelt.

Ihr Empfehlungspapier "Krisenprävention weiterdenken" kommt zu dem Schluss, dass Krisenprävention und Zivile Konfliktbearbeitung mit vergleichsweise überschaubaren Mitteln ausgebaut und wirkungsvoll eingesetzt werden können. Als Mitglied der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung erwarten wir, dass die Bundesregierung die Empfehlungen aus dem fundierten Papier aufgreift und umsetzt!

 

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