Presseerklärung - 1. Juli 2021
SIG Sauer muss wegen illegaler Waffenexporte historische 11 Millionen Euro zahlen
Im Fall illegaler SIG-Sauer-Kleinwaffenexporte hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Unternehmen zu einer Zahlung von mehr als 11 Millionen Euro verpflichtet und damit das Urteil des Landgerichts Kiel weitestgehend bestätigt. Mehr als 38.000 Pistolen des Herstellers waren zunächst in die USA und von dort aus illegal in das damalige Bürgerkriegsland Kolumbien weiterverkauft worden.
"Dies ist die höchste Summe, die je von einem Kleinwaffenhersteller eingezogen worden ist! Der Bundesgerichtshof hat damit bestätigt, dass illegaler Waffenhandel die Verantwortlichen teuer zu stehen kommt", kommentiert Holger Rothbauer, der Anwalt der "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!", die Entscheidung.
"Auch wenn die Gesetzgebung gegenüber Waffenhändlern weiterhin zu schwach ist, wird durch dieses Urteil gegen das Unternehmen 'Sig Sauer' illegaler Waffenhandel endlich als das behandelt, was es ist: organisierte Kriminalität", so Rothbauer mit Bezug auf die Einziehung des gesamten Umsatzes nach einem seit 2017 bestehenden Paragrafen, der sich hauptsächlich gegen die organisierte Kriminalität richtet.
"Aktion Aufschrei" hatte Strafanzeige gestellt
"Nach 'Heckler & Koch' ist 'Sig Sauer' der zweite deutsche Kleinwaffenhersteller, der innerhalb weniger Monate vom Bundesgerichtshof zu Millionenzahlungen verurteilt wird. Das ist ein Meilenstein und ein Riesenerfolg der Kampagne 'Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!'", sagt Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne und Bundessprecher der "Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen" (DFG-VK).
Die Kampagne hatte 2014 Anzeige wegen der illegalen Waffenexporte durch "Sig Sauer" gestellt. In der Folge waren im Jahr 2019 drei Führungskräfte des Unternehmens aus Deutschland und den USA vom Landgericht Kiel zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Dieses Urteil ist bereits rechtskräftig. Der BGH verhandelte jetzt nur noch die Revision des vom Landgericht geforderten Einzugs der Umsätze aus dem illegalen Waffengeschäft. Die Revisionen wurden weitgehend zurückgewiesen.
"Politik muss endlich Konsequenzen ziehen"
Seit April 2020 liegt die nächste Strafanzeige der Kampagne gegen "Sig Sauer" wegen illegaler Kleinwaffenexporte (diesmal nach Mexiko, Nicaragua, sowie erneut Kolumbien) vor. Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt. "Die Politik muss aus den Prozessen in den Fällen 'Heckler & Koch' und 'Sig Sauer' endlich Konsequenzen ziehen," sagt Charlotte Kehne, Referentin für Rüstungsexportkontrolle bei Ohne Rüstung Leben und Sprecherin der "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!".
"Die Weiterleitung der SIG-Sauer-Waffen über die USA nach Kolumbien hat wieder einmal gezeigt, dass der Endverbleib von Kleinwaffen nicht kontrollierbar ist. Ein strenges Rüstungsexportkontrollgesetz inklusive Kleinwaffenexportverbot ist daher mehr als überfällig! Zudem muss die Politik der Internationalisierungsstrategie von Rüstungsunternehmen entschieden entgegentreten. Es kann nicht sein, dass 'Sig Sauer' über seine Standorte im Ausland in alle Welt exportieren kann, die Gewinne aus fragwürdigen Waffengeschäften jedoch weiterhin an die deutsche Holding fließen", so Kehne.
"SIG-Sauer-Pistolen werden bei Verbrechen eingesetzt"
"Wir können mit Recherchen vor Ort und einem Dossier belegen, dass SIG-Sauer-Waffen in Kolumbien großen Schaden anrichten," sagt Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte bei terre des hommes Deutschland. "SIG-Sauer-Pistolen werden von Drogenbanden, Paramilitärs und Guerillagruppen bei Verbrechen eingesetzt, Kindersoldat*innen aufgezwungen und auch kriminelle Polizist*innen und Militärs haben sie bei schweren Menschenrechtsverletzungen und Straftaten benutzt."
"Kinder und Jugendliche aus unseren Projekten sind stark betroffen", berichtet Willinger. Seit April 2021 finden in Kolumbien große Proteste für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit statt. Die Regierung von Präsident Iván Duque geht mit tödlicher Gewalt gegen friedliche Demonstrierende vor. Die Polizei in Kolumbien ist vornehmlich mit SIG-Sauer Waffen ausgestattet.
Künstlerische Protestaktion in Karlsruhe
"Es ist ein wichtiges Zeichen für die kolumbianische Zivilgesellschaft, dass Rüstungsunternehmen in Deutschland erfolgreich der Prozess gemacht wird. Dennoch: diese Waffen hätten niemals in den Besitz der kolumbianischen Polizeieinheiten gelangen dürfen, egal ob auf illegalen oder legalen Wegen", sagt María Cárdenas vom deutschen Kolumbianer*innen Kollektiv "Red Colombia Rhein-Main".
Gemeinsam veranstalteten "Red Colombia Rhein-Main", die "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen" und "Colombia Viva e.V." vor der Urteilsverkündung in Karlsruhe eine künstlerische Protestaktion, um auf die Menschenrechtslage in Kolumbien aufmerksam zu machen.
Pressekontakte:
Jürgen Grässlin, DFG-VK / RüstungsInformationsbüro:
Tel. 0170 6113759, jg[at]rib-ev.de
Charlotte Kehne, Ohne Rüstung Leben:
Tel. 0711 62039372, orl-kehne[at]gaia.de
Rechtsanwalt Holger Rothbauer / DEHR-Rechtsanwälte:
Tel. 0173 6577693, anwalt[at]dehr.eu
Ralf Willinger, terre des hommes:
Tel. 0541 7101108, r.willinger[at]tdh.de
Mehr Informationen
zum Hintergrund des Urteils:
Kleinwaffenhersteller: Auch SIG Sauer vor höchstem deutschem Strafgericht
terre des hommes: SIG Sauer will von der Gewalt in Kolumbien profitieren
Pressemeldungen zum Thema:
Tagesschau: Sig Sauer muss Millionenbetrag zahlen
Berliner Morgenpost: Millionen-Einziehung bei Sig Sauer war rechtens
Material zum Thema
kompakt: Was Sie über Kleinwaffenexporte wissen sollten [PDF-Download, 2 Seiten]
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