Corona-Friedenstagebuch - 15. Mai 2020
Corona-Friedenstagebuch (7): Die Zeit nach der Krise gestalten
Das Thema "Frieden" findet zwar aktuell kaum Aufmerksamkeit, doch die Corona-Pandemie und unser Umgang damit hat ganz konkrete Auswirkungen auf friedenspolitische Themen.
Jeden Freitag betrachten wir einen anderen Aspekt der Corona-Krise aus friedenspolitischer Perspektive und laden Sie ein, unsere Gedanken und Impulse mitzudenken und zu teilen.
Corona-Friedenstagebuch (7): Die Zeit nach der Krise gestalten
Vorab: Im Bundeshaushalt 2020 ist für das Verteidigungsministerium mehr Geld eingeplant als für Gesundheitsministerium, Entwicklungsministerium, Auswärtiges Amt und Umweltministerium zusammen.
Diese Information ist wichtig. Man könnte sonst auf die Idee kommen, europäische Armeen wie die Bundeswehr würden finanziell benachteiligt. In verschiedenen Medien tauchen nämlich vermehrt Gastbeiträge auf, die genau diesen Eindruck erwecken.
Verteidigung dürfe nicht zum Opfer des Lockdown werden, heißt es da. Und: Die Verteidigungsminister sollten für militärische Bedrohungen in der Post-Corona-Zeit planen.
Findet die EU überzeugende Antworten?
Dass sich diese meinungsstarken Stimmen gerade jetzt zu Wort melden hat einen ernsten Grund: Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind enorm, in allen europäischen Ländern wird für dieses Jahr mit einer schweren Rezession gerechnet.
Daher denken Regierungen und Ökonomen bereits jetzt über Konjunkturprogramme nach, die der Wirtschaft nach der Krise wieder auf die Beine helfen sollen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Verhandlungen über den "Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union", die im zweiten Halbjahr 2020 unter der deutschen Ratspräsidentschaft weitergehen werden.
In diesen Tagen soll ein überarbeiteter Entwurf für diesen mittelfristigen EU-Finanzplan vorliegen - mit Spannung wird erwartet, ob die EU-Kommission darin überzeugende Antworten auf die neue Situation findet. Eine Einigung unter den Mitgliedsstaaten über die Finanzierung dürfte sonst äußerst schwierig werden.
Milliarden für Verteidigung geplant
Bislang sieht der Mehrjährige EU-Finanzrahmen 13 Milliarden Euro zur Förderung von Rüstungs- und Militärprojekten vor, den sogenannten Verteidigungsfonds. Und darin liegt der wahre Grund für die Medienoffensive der Verteidigungslobby: Die Sorge, dass diese Milliarden nun unter dem Eindruck der Corona-Krise gekürzt werden könnten.
Ihre Argumentation ist so schlicht wie verfänglich: Die europäischen Staaten seien auch nach der Krise bedroht, ihre Armeen unterfinanziert. Der Verteidigungssektor solle daher bei den anstehenden Mittelverteilungen ein besonders großes Kuchenstück abbekommen.
Wirtschaftliche Entwicklung gestalten
Konjunkturprogramme, zumal zur Bewältigung von Wirtschaftskrisen, bieten den Regierungen eine viel zu selten genutzte Chance: Gestaltend in die wirtschaftliche Entwicklung einzugreifen. Wir haben jetzt die Gelegenheit, jene Bereiche der Wirtschaft zu fördern, die uns für die Zukunft besonders wichtig erscheinen. Sei es für die Region, das Land, ganz Europa, unser Zusammenleben oder die nachhaltige, gerechte Entwicklung auf unserem Planeten.
Genau aus diesem Grund läuft bereits die wichtige Diskussion darüber, wie die Konjunkturhilfen an Klimaschutz und Nachhaltigkeitsziele gebunden werden können. Zusätzliche Investitionen in das Gesundheitssystem und die Medizinforschung scheinen unstrittig. Doch welche Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft sind darüber hinaus besonders unterstützenswert?
Diese Frage gilt es, weise zu beantworten.
In Brüssel ebenso wie in Berlin und den anderen Hauptstädten Europas.
Wir können jeden Euro nur einmal ausgeben
Und es sind nicht die Interessensverbände und Lobbyisten, die die Antworten vorgeben sollten, sondern die Herausforderungen, denen wir in den nächsten Jahren gegenüberstehen. Wichtig ist dabei ein Blick über den Tellerrand, eine europäische, besser noch: globale Perspektive.
So abgedroschen es klingt: Auch Regierungen können jeden Euro nur einmal ausgeben. Wer jetzt also mehr Geld für Verteidigung fordert, muss sich im klaren darüber sein, dass dies nur auf Kosten der wirklich wichtigen Ziele möglich sein wird.
Wir finden: Die Konjunkturprogramme nach der Corona-Krise müssen diejenigen Teile der Wirtschaft fördern, die Antworten auf die wahren Herausforderungen der Zukunft bieten. Militärische Rüstung gehört nicht dazu.
Alle Folgen unseres Corona-Friedenstagebuches finden Sie hier
Mehr Informationen
Zwei beispielhafte Gastbeiträge, die für mehr Verteidigung argumentieren:
FAZ: Europas Verteidigung sollte nicht Opfer des Lockdowns werden
FAZ: Europas Bonsai-Armeen können nicht weiter getrimmt werden
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