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Nachrichten - 17. Oktober 2018 - UPDATE: 26. Oktober 2018

Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien? Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Karte des Jemen und Saudi-Arabien

Der Fall des mutmaßlich ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi rückt Saudi-Arabien - wieder einmal - in die Aufmerksamkeit. Auch die humanitäre Lage im Jemen, wo Riad die Militärkoalition anführt, bessert sich kaum. Laut Koalitionsvertrag dürfen keine neuen Rüstungsexporte mehr an Saudi-Arabien genehmigt werden - doch die Bundesregierung bleibt in dieser Frage nicht konsequent.


Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "der Spiegel" will die Bundesregierung das vollständige Rüstungsexportverbot an Staaten wie Saudi-Arabien nicht kategorisch umsetzen. Dies gehe aus einem Brief des von Peter Altmaier (CDU) geführten Wirtschaftsressorts an den SPD-Abgeordneten Thomas Hitschler hervor. Demnach entscheide die Regierung über Rüstungsexporte an Kriegsparteien im Jemenkonflikt "weiterhin stets im Einzelfall".

Exportstopp wird weiter aufgeweicht

Zwar würde die Verwicklung in den Konflikt geprüft. Entscheidend sei aber auch die Art der angefragten Exporte und wozu sie eingesetzt würden. Damit wird der Exportstopp in den Jemen-Krieg weiter aufgeweicht. War im Sondierungspapier der Großen Koalition noch die Rede von einem Stopp aller Ausfuhren an Länder, die im Jemen-Krieg beteiligt sind, bezog sich der entsprechende Passus im Koalitionsvertrag nur noch auf "unmittelbar beteiligte" Länder sowie neue Exportanfragen.

Denn deutschen Rüstungsfirmen wird ein "Vertrauensschutz" gewährt, wenn sie "nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben". Welche Schwierigkeiten sich aus einer solch vagen Formulierung ergeben, zeigen Recherchen von Report München, des Sterns und des ECCHR. Demnach sind Patrouillenboote deutscher Herstellung womöglich zumindest indirekt in die Seeblockade des Jemen eingebunden. Trotzdem lagen zwei neu gefertigte Schiffe im September zur Ausfuhr nach Saudi-Arabien bereit.

In der Großen Koalition regt sich Widerstand

Zwischen dem 14. März und dem 23. September 2018 wurden insgesamt 87 Einzelgenehmigungen für Rüstungsexporte an Mitglieder der von Saudi-Arabien geführten Kriegsallianz erteilt. Die Bundesregierung beruft sich darauf, dass es sich dabei um bereits genehmigte Altaufträge handelte, die unter den "Vertrauensschutz" fielen, bzw. um Verpflichtungen aus internationalen Rüstungskonsortien. Doch auch intern stoßen diese Begründungen nicht nur auf Wohlwollen.

Nachdem die Bundesregierung kürzlich den Export eines Radarsystems nach Saudi-Arabien genehmigte, kritisierten zahlreiche SPD-Bundestagsabgeordnete diesen Vorgang heftig. Sie bezweifeln, dass die Lieferungen vom Koalitionsvertrag gedeckt sind und fordern einen härteren Kurs. Berichten zufolge mussten Außenminister Maas und Fraktionschefin Nahles sich eine gute Stunde vor ihren Parteifreundinnen und -freunden rechtfertigen. Der Tenor in der Fraktion: Die Exporte müssen aufhören.


Die Bundesregierung wird ihren Grundsätzen nicht gerecht

"Die entschlossene Umsetzung des im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Jemen-Exportstopps ist eine Frage der Glaubwürdigkeit!", sagt Charlotte Kehne, Referentin für Rüstungsexportkontrolle bei Ohne Rüstung Leben und Sprecherin der "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!". "Rüstungslieferungen an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten widersprechen den Grundsätzen der Bundesregierung für den Rüstungsexport [PDF-Download]. Berlin verpasst hier also abermals die Chance, seinen eigenen Grundsätzen gerecht zu werden"

 


 

UPDATE: Presseerklärung vom 23. Oktober 2018


In Reaktion auf den Fall des im saudischen Konsulat in Istanbul ums Leben gekommenen Journalisten Khashoggi will Bundeskanzlerin Merkel deutsche Waffenexporte nach Saudi-Arabien vorerst stoppen. Die "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" veröffentlichte folgende Pressemitteilung dazu:

Bis zum 30. September 2018 wurden Genehmigungen für Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgütern an Saudi-Arabien im Wert von 416 Millionen Euro erteilt – und das, obwohl Riad die Militärkoalition im Jemen-Krieg anführt. "Der in Aussicht gestellte Stopp von Waffenexporten nach Saudi-Arabien ist angesichts des über Jahre anhaltenden Leids der Zivilbevölkerung im Jemen ein längst überfälliger Schritt. Ein Stopp darf jedoch nicht nur eine vorläufige Zwischenlösung darstellen, sondern muss der Beginn einer Kehrtwende sein."

"Die Bundesregierung darf keine Ausnahmen mehr zulassen und muss unmittelbar alle Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien stoppen – auch die bereits genehmigten. Für eine solche Position muss sich die Bundesregierung auch auf europäischer Ebene einsetzen", fordert Charlotte Kehne, Sprecherin der "Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!" und Referentin für Rüstungsexportkontrolle bei Ohne Rüstung Leben.


"Auf Worte müssen nicht jetzt nicht noch mehr Beratungen, sondern Taten folgen! Konsequentes Handeln ist das Gebot der Stunde. Rüstungslieferungen an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten widersprechen den eigens gesetzten Grundsätzen der Bundesregierung für den Rüstungsexport."

"Der für Saudi-Arabien geforderte umfassende Exportstopp muss somit für alle am Jemen-Krieg beteiligten Staaten gelten", betont Christine Hoffmann, pax christi-Generalsekretärin und Sprecherin der "Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!" und ergänzt: "Darüber hinaus ist die Schaffung einer konsistenten gesetzlichen Grundlage zum Rüstungsexport durch ein Rüstungsexportkontrollgesetz mehr als überfällig."


Jürgen Grässlin, Sprecher der "Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!" und Vorsitzender der DFG-VK stellt klar: "Seit Jahren genehmigt der geheim tagende Bundessicherheitsrat unter Führung von Kanzlerin Merkel und acht Ministern der CDU/CSU und SPD den Export deutscher Kriegswaffen an menschenrechtsverletzende und kriegführende Drittländer außerhalb der NATO und EU. 54 Prozent aller Rüstungsexporte werden in Drittländer wie Saudi-Arabien, Algerien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten genehmigt."

"Diese Exportpolitik ist gemäß Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz rechtswidrig, sie ist unsozial und unchristlich. Zahllose Menschen wurden und werden mit deutschen Waffen in Krisen- und Kriegsgebieten getötet oder verstümmelt und traumatisiert. Dies muss endgültig und unwiderruflich gestoppt werden."

 

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Rüstungsexportbericht zum 1. Halbjahr 2018


Am 24. Oktober 2018 hat die Bundesregierung ihren Rüstungsexportbericht für das erste Halbjahr 2018 vorgelegt. Die darin erhaltenden Zahlen waren weitgehend bereits bekannt und ließen auf eine langsame Trendwende hoffen.

Mit weitreichenden Genehmigungen für Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien im dritten Quartal 2018 (das noch nicht im Halbjahresbericht enthalten ist) hat die Bundesregierung diese Hoffnung jedoch enttäuscht.

Zum Rüstungsexportbericht über das erste Halbjahr 2018

Das Königreich Saudi-Arabien verletzt die Menschenrechte im eigenen Land, unterdrückt Frauen und verhindert jede Form von Opposition. Gleichzeitig führt Riad einen brutalen, völkerrechtswidrigen Krieg im Jemen an. Dennoch genehmigte Deutschland bislang weiter den Export von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien.

Auf unserer Themenseite finden Sie alle aktuellen Nachrichten zu deutschen Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien und zum Jemen-Krieg.

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