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Nachrichten - 24. Juli 2018 - UPDATE: 20. August 2018

Rüstungsexportzahlen zum ersten Halbjahr 2018 - Trendwende in Sicht?

"Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" bei Ohne Rüstung Leben
© Jens Volle

Antworten des Wirtschaftsministeriums auf mehrere parlamentarische Anfragen zeigen, dass die erteilten Genehmigungen für deutsche Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2018 stark zurückgegangen sind. Mit einem Wert von 2,57 Milliarden bewilligte die Bundesregierung fast ein Drittel weniger als im Vorjahreszeitraum. Überrschend sind auch Entwicklungen mit Bezug auf den Jemen-Krieg.


Der Grund für den generellen Rückgang der Genehmigungswerte liegt vermutlich nicht in einer Trendwende. Deutsche Rüstungsproduzenten beklagen als Ursache vielmehr die schleppende Ausstellung von Genehmigungen während der langen Übergangszeit nach der Bundestagswahl. So führt die Rheinmetall AG etwa den rückläufigen Umsatz ihrer Division "Weapon and Ammunition" im ersten Quartal 2018 auf "Fehlende Exportgenehmigungen in Folge der verzögerten Regierungsbildung sowie Lieferverschiebungen auf Kundenwunsch" zurück.


Verschiebung statt Trendwende

Verzögerungen und Verschiebungen also, statt einer wirklichen Trendwende. Dies spiegeln auch die detaillierten Genehmigungswerte für deutsche Rüstungsexporte wider. Im ersten Quartal 2018 wurden Exporte im Wert von 880 Millionen Euro genehmigt (1. Quartal 2017: 2,2 Milliarden Euro). Direkt nach dem Antritt der neuen Bundesregierung stieg der Wert jedoch bereits wieder auf mehr als 1,5 Milliarden Euro im zweiten Quartal an.

Unter den vier Empfängerländern, in die die meisten deutschen Rüstungsexporte genehmigt wurden, befanden sich im ersten Halbjahr 2018 gleich drei Drittstaaten mit prekären Menschenrechtslagen, internen Gewaltkonflikten sowie regionalen Konflikten. Auf Platz eins liegt wie bereits in den Jahren 2016 und 2017 Algerien (1. Halbjahr 2018: 643 Millionen Euro). Auf Platz drei und vier folgen Saudi-Arabien sowie Pakistan mit Rüstungsexportgenehmigungen in Höhe von 162 Millionen beziehungsweise 115 Millionen Euro.


Überraschung bei Exporten nach Saudi-Arabien

Und doch ist eine Überraschung zu verzeichnen: Seit die neue Bundesregierung im Amt ist, sind (mit zwei geringen Ausnahmen) keine Rüstungsexporte mehr an Länder genehmigt worden, die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Nachdem die Versprechen von Union und SPD zu diesem Thema schon im Koalitionsvertrag aufgeweicht worden waren und noch kurz vor der Regierungsbildung die oben aufgeführte Lieferung weiterer Patrouillenboote nach Saudi-Arabien genehmigt wurde (wir berichteten), kommt diese Entwicklung mehr als unerwartet.

Ohne Rüstung Leben fordert bereits seit rund drei Jahren, deutsche Rüstungsexporte an alle Staaten zu stoppen, die sich am Jemen-Krieg beteiligen und die dortige humanitäre Katastrophe ausgelöst haben. Sollte die Bundesregierung diesen längst überfälligen Schritt nun tatsächlich in die Tat umsetzen, ist dies sehr zu begrüßen. Wir werden die Entwicklung weiterhin genau im Blick behalten und fordern den federführend zuständigen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier auf, keine Ausnahmen zuzulassen!


Es bleibt ein langer Weg

Dennoch: Es bleibt ein langer Weg für die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag verankerte weitere Einschränkung der Rüstungsexporte an Drittstaaten tatsächlich umzusetzen. Damit der Exportstopp an die beteiligten Länder im Jemen-Krieg nicht zur Symbolpolitik verkommt, sollte Berlin gleiche Maßstäbe an alle Empfängerländer ansetzen. Das bedeutet: Es muss zur Selbstverständlichkeit werden, dass menschenrechtsverletzende und kriegführende Staaten keine Rüstungslieferungen aus Deutschland erhalten dürfen.

"In der Konsequenz heißt das auch, Schlupflöcher zu schließen, die es Rüstungsunternehmen derzeit ermöglichen, deutsche Exportregularien mit Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen im Ausland ganz legal zu umgehen. Deutsche Rüstungsgüter dürfen nicht in kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten gelangen - auch nicht über Umwege", sagt Charlotte Kehne, Referentin für Rüstungsexportkontrolle bei Ohne Rüstung Leben und Sprecherin der "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!".


UPDATE: Zwei aktuelle Beispiele

Wie lange es dauern wird, bis die Versprechen der Bundesregierung tatsächlich Auswirkungen haben, zeigen zwei aktuelle Beispiele. So teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit, dass noch bis zum Ende des ersten Quartals 2018 Ersatzteile für die Kampfjets Eurofighter und Tornado im Wert von insgesamt fast zwei Millionen Euro an Saudi-Arabien geliefert worden sind. Das Emirat Katar wird in Kürze 24 Eurofighter-Kampfjets von der britischen Rüstungsschmiede BAe-Systems bekommen, für die Bauteile aus Deutschland zugeliefert werden.

Beide Fälle gehen auf Genehmigungen zurück, die vor dem neuen Koalitionsvertrag erteilt wurden. Im Falle der britischen Eurofighter beruft sich das Verteidigungsministerium gar auf eine mehr als zwanzig Jahre alte Zusage - genau genommen sind die Beispiele also kein Verstoß gegen die Versprechen der neuen Bundesregierung. In Folge einer jahrelangen Billigung von Rüstungslieferungen an die Golfstaaten helfen deutsche Bau- und Ersatzteile nun dabei, dass die schweren Luftschläge auf den Jemen fortgesetzt werden können.

 

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Das Königreich Saudi-Arabien verletzt die Menschenrechte im eigenen Land, unterdrückt Frauen und verhindert jede Form von Opposition. Gleichzeitig führt Riad einen brutalen, völkerrechtswidrigen Krieg im Jemen an. Dennoch genehmigte Deutschland bislang weiter den Export von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien.

Auf unserer Themenseite finden Sie alle aktuellen Nachrichten zu deutschen Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien und zum Jemen-Krieg.

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