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Nachrichten - 24. August 2023 - UPDATE: 31. August 2023

Systematische Tötungen an saudischer Grenze - Deutschland muss Zusammenarbeit sofort beenden

Fahrzeuge der saudischen Grenzschutz-Behörde
Fahrzeuge der Saudi Border Guard. Foto: Qrmoo3, commons.wikimedia.org/wiki/File:36-_Saudi_Border_Guards_Vehicles_%28My_Trip_To_Al-Jenadriyah_32%29.jpg, CC BY-SA 4.0 [Lizenz]

Es ist ein schockierender Bericht von "Human Rights Watch": Saudi-Arabische Grenzbeamte sollen Hunderte äthiopische Schutzsuchende an der Grenze zum Jemen getötet haben. Brisant dabei: Saudische Grenzschützer wurden unter anderem von Deutschland ausgebildet. Ohne Rüstung Leben fordert, jede militärische Zusammenarbeit sofort einzustellen!


Im Jemen-Krieg wuchs zuletzt eine leise Hoffnung auf diplomatische Entspannung - doch die humanitäre Lage in dem Land ist weiter katastrophal. Dass trotzdem Menschen über die Ostroute vom Horn von Afrika über den Golf von Aden durch den gesamten Jemen nach Saudi-Arabien fliehen, zeigt ihre Verzweiflung. Sie fliehen vor der ausweglosen ökonomischen Situation, Dürre, schweren Menschenrechtsverletzungen und Krieg in Äthiopien. 

Laut "Human Rights Watch" berichteten überlebende Migrantinnen, Migranten und Asylsuchende, dass sie von jemenitischen Schmugglern nach Sa'da an die saudische Grenze gebracht wurden. Diese Region steht derzeit unter der Kontrolle der Houthi - einer der Konfliktparteien im Jemen-Krieg. Sie würden die Menschen erpressen und misshandeln, bis diese eine "Ausreisegebühr" zahlen könnten.

Hunderte Getötete an der Grenze

Diejenigen, die so die Grenze nach Saudi-Arabien erreichen, sehen sich dann der Gewalt der saudischen Grenzbeamten ausgesetzt. Laut "Human Rights Watch" wurden zwischen März 2022 und Juni 2023 Hunderte äthiopische Migrantinnen, Migranten und Asylsuchende aus nächster Nähe erschossen - darunter auch Frauen und Kinder. Dabei seien neben Gewehren auch Explosivwaffen wie Mörsergeschosse eingesetzt worden.

Der Bericht beschreibt Unvorstellbares: Die Körper von Frauen, Männern und Kindern lagen demnach schwer verletzt oder bereits tot in der bergigen Grenzlandschaft. In einigen Fällen sollen Grenzschutzbeamte die Opfer gefragt haben, in welches Körperteil sie geschossen werden wollten. Offenbar zielten sie auch auf Menschen, die gerade aus vorübergehender saudischer Haft entlassen worden waren und versuchten, zurück in den Jemen zu gelangen.


Tötungen "weit verbreitet und systematisch" 

Die Vorwürfe gegenüber den saudischen Grenzbeamten sind nicht neu. "Human Rights Watch" hat seit 2014 Tötungen von Migrantinnen und Migranten an der Grenze zum Jemen dokumentiert. Auch UN-Experten berichteten bereits im vergangenen Jahr über "besorgniserregende Vorwürfe", denen zufolge saudi-arabische Sicherheitskräfte an der Grenze zum Jemen in den ersten Monaten des Jahres 2022 etwa 430 Migrantinnen und Migranten getötet haben.

Laut "Human Rights Watch" scheinen die jüngsten Tötungen jedoch sowohl in Bezug auf die Anzahl als auch die Art und Weise eine bewusste Eskalation zu sein. Sie scheinen demnach "weit verbreitet und systematisch" und könnten Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Deshalb fordert die Menschenrechtsorganisation eine von den Vereinten Nationen unterstützte Untersuchung.


Deutschland bildete Grenzschützer aus

Deutschland ist seit 2009 an der Ausbildung saudischer Grenzschützer beteiligt. Dies wurde im Jahr 2018 - nach dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi - kurz unterbrochen, doch bereits im Januar 2020 fortgesetzt. Die Bundespolizei unterhält laut ihrem Jahresbericht 2021 in Saudi-Arabien ein Projektbüro. Die Ausbildungsmission war von Beginn an nicht unumstritten, denn sie diente auch den Interessen der Rüstungsindustrie.

Wenige Tage nach einem Besuch des damaligen Innenministers Wolfgang Schäuble in Saudi-Arabien verkündete der Rüstungskonzern EADS (heute Airbus) im Jahr 2009, ein Grenzsicherungssystem für Saudi-Arabien zu liefern. Jürgen Stark, Vorstandsmitglied der GdP-Bundespolizei, kommentierte damals: "Der Konzern hat den Auftrag wohl nur bekommen, weil deutsche Polizisten die Ausbildung übernommen haben. Erstmals wird die deutsche Polizei zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen genutzt."    


Weiterhin deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien

Und Deutschland lieferte in den vergangenen Jahren nicht nur Güter zur Grenzsicherung an Saudi-Arabien. Trotz eines im Jahr 2018 beschlossenen "Exportstopps" wurden auch 2021 noch Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen in dreistelliger Millionenhöhe für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien erteilt.

Auch die Ampel-Regierung nutze die entsprechende Lücke für Gemeinschaftsprojekte: Kurz vor der Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz in die Golfregion im September 2022 genehmigte sie den Export von weiteren Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien. Darunter Ausrüstung und Munition für die Kampfflugzeuge Eurofighter und Tornado im Wert von 36 Millionen Euro.


Militärische Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien sofort einstellen

Damit muss nach den neuen Berichten über die gezielten Erschießungen von Asylsuchenden endgültig Schluss sein! Ein Land, das die Menschenrechte mit Füßen tritt, mit seiner Kriegsführung im Jemen gegen das humanitäre Völkerrecht verstieß und Menschen auf der Flucht an seiner Grenze erschießen lässt, darf keine Rüstungsgüter aus Deutschland beziehen.

Ohne Rüstung Leben fordert die Bundesregierung auf, alle Rüstungsexporte an Saudi-Arabien konsequent und ausnahmslos auszuschließen und jede Ausbildung und militärische Zusammenarbeit mit saudischen Grenzschutzeinheiten sofort einzustellen!

 

UPDATE (31. August 2023):

Dieser Artikel von Ohne Rüstung Leben wurde am 24. August 2023 veröffentlicht. Nun berichten auch die Tagesschau und die heutige "Monitor"-Sendung über die deutschen Ausbildungsmissionen in Saudi-Arabien und zeigen, wie irreführend die Bundesregierung reagiert.



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Das Königreich Saudi-Arabien verletzt die Menschenrechte im eigenen Land, unterdrückt Frauen und verhindert jede Form von Opposition. Gleichzeitig führte Riad einen brutalen, völkerrechtswidrigen Krieg im Jemen an. Der Export von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien ist derzeit zu großen Teilen gestoppt, andere Länder der Kriegskoalition werden weiter von Deutschland beliefert.

Auf unserer Themenseite finden Sie alle aktuellen Nachrichten zu deutschen Rüstungsexporten in den Jemen-Krieg.

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