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Nachrichten - 1. März 2023

Die europäische Dimension der Rüstungsexportkontrolle

Eurofighter der Saudi-Arabischen Airforce
Eurofighter der Saudischen Airforce, Foto: Alan Hunter, flic.kr/p/2bDdday, CC BY 2.0 [Lizenz]

Dass Rüstungsexportkontrolle kein rein nationales Thema ist, machten Ende September 2022 die Nachrichten über deutsche Zulieferungen für Kampfflugzeuge für Saudi-Arabien abermals deutlich. Wie kann es sein, dass weiterhin deutsche Rüstungsgüter auf die arabische Halbinsel gelangen? Und was sagt uns das über europäische Rüstungsexportkontrolle?


Noch Mitte September vergangenen Jahres teilte die Bundesregierung mit, seit ihrem Amtsantritt keine Waffenexporte in das autokratisch regierte Land genehmigt zu haben - auch nicht im Rahmen einer Ausnahmeregel für gemeinschaftliche Rüstungsprojekte mit Bündnispartnern. Von dieser Ausnahme, die bereits die Große Koalition im Exportstopp nach Saudi-Arabien verankerte und nutzte, macht die Ampel-Regierung Ende September dann aber doch Gebrauch.

Sie stimmte Lieferungen im Rahmen von Gemeinschaftsprojekten mit Italien, Spanien und Großbritannien zu. Dabei handelt es sich um Ausrüstungsteile und Bewaffnung für die Kampfflugzeuge Eurofighter und Tornado sowie Munition für den Eurofighter. Diese Flugzeugtypen wurden bei Luftangriffen der Jemen-Kriegskoalition eingesetzt.


Verlässlichkeit gegenüber Bündnispartnern

Laut damaliger Aussage eines Sprechers des Auswärtigen Amtes mache man sich "überhaupt keine Illusionen" über die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien. Andererseits jedoch sei Deutschland im Rahmen von Kooperationsprojekten mit engsten Bündnispartnern Verpflichtungen eingegangen.

Ähnlich argumentierte die ehemalige Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht, die von "Sonderregeln" beim Export von gemeinsam produzierten Rüstungsgütern sprach, mit denen Deutschland europäische Rüstungskooperationen kompliziert mache. Verlässlichkeit gegenüber den Verbündeten in EU und NATO sei noch wichtiger geworden, betonte Außenministerin Annalena Baerbock.

Verlässlichkeit stellt die Bundesregierung mit solchen Exportgenehmigungen jedoch gerade nicht unter Beweis. Rüstungslieferungen an Länder wie Saudi-Arabien stehen in eklatantem Widerspruch zu geltenden Kriterien des europäischen "Gemeinsamen Standpunkts für Rüstungsexporte" und des Arms Trade Treaty, auf die sich alle EU-Länder und Großbritannien geeinigt haben.

Und genau hier wird das eklatante Defizit der Rüstungsexportkontrolle in der EU deutlich: Alle Mitgliedsländer haben sich auf gemeinsame Kriterien geeinigt, die jedoch unterschiedlich interpretiert werden.


Mehr Kooperation erfordert mehr Kontrolle

Doch während die europäische Rüstungszusammenarbeit zunehmend gestärkt und gefördert wird, wird diese Entwicklung weiterhin nicht von einer Stärkung der europäischen Rüstungsexportkontrolle begleitet.

Ende 2019 beschlossen die deutsche und französische Regierung ein Abkommen, um beim Export von Rüstungsgütern aus gemeinschaftlicher Produktion einen gemeinsamen Ansatz zu entwickeln. Das Abkommen, dem Anfang 2021 auch Spanien beitrat, folgt überwiegend der Logik, dass die Regierungen weitgehend auf ein Veto verzichten und sich grundsätzlich nicht gegenseitig daran hindern, gemeinsam produzierte Rüstungsgüter zu exportieren. Es kann also der geringste Standard gelten.

Laut dem Eckpunktepapier zum Rüstungsexportkontrollgesetz (Oktober 2022) soll auch zukünftig auf solche Abkommen gesetzt werden. Die in ihnen verankerten Regeln sollen sogar Vorrang vor nationalen Regeln erhalten. Dies könnte weiter Tür und Tor für Exporte an Länder wie Saudi-Arabien öffnen. Anstatt also die Arbeit am Rüstungsexportkontrollgesetz zu nutzen, um auf europäischer Ebene glaubwürdig als Vorreiter für die dringend benötigte Durchsetzung und Verschärfung bestehender EU-Kriterien einzutreten, besteht die Gefahr, dass die in den Eckpunkten fokussierten Abkommen bestehende EU-Kriterien untergraben und konterkarieren.

Dies könnte auch Diskussionen rund um eine strenge EU-Verordnung den Wind aus den Segeln nehmen, für die sich die Ampel-Regierung einsetzen will und zu der ein diskussionswürdiger Vorschlag aus dem Europaparlament auf dem Tisch liegt.


Europäische Gemeinschafts- und Kooperationsprojekte - auf wessen Kosten?

Es ist unbestritten, dass angesichts zunehmender europäischer Rüstungskooperation die Notwendigkeit besteht, auch die europäische Rüstungsexportkontrolle weiterzuentwickeln. Es ist aber inakzeptabel, dass dabei der geringste Standard als Leitschnur gelten soll. Europäische Rüstungskooperation darf nicht Vorrang vor einer restriktiven Kontrolle erhalten.

Vor diesem Hintergrund muss die Veto-Möglichkeit für Exporte gemeinsam hergestellter Rüstungsgüter erhalten bleiben, damit sich Deutschland für die Einhaltung der europäischen Kriterien einsetzen kann. Dabei handelt es sich keinesfalls um nationale Sonderregeln, sondern um die Einhaltung und Stärkung bestehender europäischer Kriterien.

Denn die Kosten tragen am Ende immer die Menschen in Krisengebieten: Nur wenige Tage nach der Genehmigung der Rüstungsexporte für Saudi-Arabien wurde bekannt, dass die Waffenruhe im Jemen nicht verlängert wurde.

Dieser Artikel von Charlotte Kehne, Referentin für Rüstungsexportkontrolle bei Ohne Rüstung Leben, erschien in der pax christi-Zeitung "pax_zeit 1_2023".


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