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Nachrichten - 21. August 2017 - UPDATE: 4. September 2017

Überraschende Hauptversammlung: Neue Strategie bei "Heckler & Koch"?

Stimmkarte von Paul Russmann bei der "Heckler & Koch"-AHV

Die Aktionärshauptversammlung 2017 des Waffenherstellers "Heckler & Koch" brachte gleich mehrere Überraschungen: Nicht nur hatten Rüstungsgegner einige Aktien der Firma gekauft, um kritische Fragen zu Rüstungsexporten und Menschenrechten zu stellen. Der Vorstand von "Heckler & Koch" gab sich auch ungewohnt offen und kündigte eine neue Strategie an.

 
Sulz, am Oberlauf des Neckars gelegen. Gut 12.000 Einwohner, keine 20 Kilometer entfernt von Oberndorf. Hier, im abgeschiedenen Ortsteil Glatt, fand am 15. August 2017 die Aktionärshauptversammlung der Heckler & Koch AG statt. Eine Ortswahl, die die unmissverständliche Botschaft in sich trägt: "Wir möchten unter uns bleiben"! Auch der Presse wurde vorab mitgeteilt, dass sie nicht zugelassen ist. Nur Aktionäre und ihre Vertreter.

Doch darunter ist seit kurzem auch Jürgen Grässlin. Der Rüstungskritiker hat eine Hand voll Aktien von "Heckler & Koch" erworben, um mit kritischen Nachfragen bei der Hauptversammlung Einfluss zu nehmen. Mit ihm reisten an diesem Tag weitere kritische Aktionäre nach Sulz, darunter Paul Russmann von Ohne Rüstung Leben. Im Gepäck: Beinahe hundert Fragen zur Exportpolitik des G-36-Herstellers.


Positive Überraschung

Am Ende des Tages konnten Grässlin und Russmann ein überraschendes Fazit ziehen: "Was wir bei der Hauptversammlung erlebt haben, kann schlichtweg in weiten Teilen als positive Überraschung bezeichnet werden. Nach 30 Jahren der harten Konfrontation, zahlreichen gewaltfreien Aktionen und juristischen Auseinandersetzungen zeichnet sich mit dem neuen Vorstand und Aufsichtsrat von 'Heckler & Koch' die Chance zur kritischen Kommunikation ab."

Die kritischen Aktionäre wurden demnach sehr ernst genommen, ihre Fragen umfassend beantwortet. Dabei lobten beide Seiten den respektvollen Umgang. Die Antworten des Vorstandes aber bargen die größte Überraschung. Gerüchte aus dem vergangenen Winter scheinen sich nun zu bewahrheiten: Die restriktive Politik der Bundesregierung ist dem neuen Vorstand "nicht hart genug." Und "Heckler & Koch" will den Standort Saudi-Arabien aufgeben.


Lieferungen nur noch an "Grüne Staaten"

Als "Heckler & Koch"-Chef Norbert Scheuch dann auch noch zusicherte, die Einrichtung eines Opferfonds ernsthaft zu prüfen, waren die Rüstungsexportgegner kurz sprachlos. Eine "völlig neue Entwicklung" sei das, so Grässlin. Schließlich trat Scheuch vor die draußen harrenden Pressevertreter - ein weiteres Novum des verschwiegenen Kleinwaffenherstellers. Er bestätigte, zukünftig nur noch Aufträge aus "grünen Staaten" annehmen zu wollen.

"Grüne Staaten", das seien NATO-Staaten und deren Partner, die aber demokratisch und nicht-korrupt sein müssten. Inzwischen habe er "Heckler & Koch" auch so umgebaut, dass Vorfälle wie die Waffenexporte nach Mexiko vermieden werden könnten, ergänzte der Manager. Sechs ehemalige "Heckler & Koch"-Mitarbeiter müssen sich in Kürze vor Gericht für die illegale Lieferung von Sturmgewehren in mexikanische Unruheprovinzen verantworten.


"Großer Erfolg der Friedensbewegung"

Alle Altverträge will "Heckler & Koch" jedoch noch erfüllen, darunter unter anderem Lieferungen in die Türkei, was Jürgen Grässlin und Paul Russmann scharf kritisieren. Bleibt die Frage, warum mit dem neuen Vorstand und Aufsichtsrat dieser plötzliche Strategiewandel einhergeht. Scheuch spricht ausweichend von einer "kritischen Bewertung des Geschäfts", unter anderem eben in Bezug auf Länder wie Saudi-Arabien.

Um genau hinzusehen, ob den Worten zukünftig auch Taten folgen werden, sollen sich im kommenden Jahr die "Kritischen Aktionäre Heckler & Koch" formieren. Für den Moment sind Grässlin und Russmann zufrieden: "30 Jahre lang haben wir daran gearbeitet. Der heutige Tag ist ein großer Erfolg für die Friedensbewegung!"


UPDATE (4. September 2017): Eine weitere überraschende Wendung

In der letzten Augustwoche wurde bekannt, dass sich "Heckler & Koch" mit sofortiger Wirkung von seinem Vorstandsvorsitzenden Norbert Scheuch trennt. Nach nur 18 Monaten kommt diese Entscheidung überraschend. Bis ein Nachfolger gefunden ist, soll das noch verbliebene Vorstandsmitglied Wolfgang Hesse das Unternehmen allein führen.

Inwiefern diese Personalie mit den jüngsten Äußerungen und Entwicklungen des Waffenherstellers zusammenhängt, bleibt unklar. Die Neuausrichtung und die selbstauferlegten Exportbeschränkungen sollen unverändert weiterverfolgt werden. Auch der Opferfonds sei nicht vom Tisch, versicherte ein Sprecher des Konzerns. Dennoch steht die Frage im Raum, welche Überraschungen aus Oberndorf uns als nächstes bevorstehen...

 

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In Mexiko herrscht ein blutiger Drogenkrieg. Die Polizei ist in einigen Regionen von organisierter Kriminalität unterwandert. Weltweite Beachtung fanden 43 Studenten, die der Praxis des "Verschwindenlassens" zum Opfer fielen. Deutsche Waffen von "Heckler & Koch" und "Sig Sauer" tauchen immer wieder in Mexiko auf - auch dort, wo sie nie sein durften.

Auf unserer Themenseite finden Sie alle aktuellen Nachrichten zu deutschen Rüstungsexporten nach Mexiko.

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