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Nachrichten - 28. Dezember 2020

"Heckler & Koch": Revision am Bundesgerichtshof ab Februar 2021

Vor dem "Heckler & Koch" Prozess am Landgericht Stuttgart
Jürgen Grässlin, Charlotte Kehne und Anwalt Holger Rothbauer vor dem Landgericht Stuttgart.

Der Fall illegaler Waffenexporte nach Mexiko landet vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Am 11. Februar 2021 startet dort eine mündliche Verhandlung der Revision von "Heckler und Koch". Die Einschätzung des höchsten deutschen Strafgerichtes könnte Signalwirkung für die gesamte Rüstungsbranche haben.


Nach einer Strafanzeige von Jürgen Grässlin, Sprecher der "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!", war der Fall in den Jahren 2018 und 2019 vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt worden. Der Prozess gegen "Heckler & Koch" sorgte für große mediale Aufmerksamkeit und machte deutlich, dass illegale Rüstungsgeschäfte zunehmend von Friedensorganisationen aufgedeckt und nun auch von den Gerichten sanktioniert werden.


Frisierte Dokumente im Genehmigungsprozess

Das Gericht sah es damals als erwiesen an, dass die Genehmigung für den Export von rund 4.500 Sturmgewehren nach Mexiko mit bewusst frisierten Dokumenten erschlichen worden war. Dabei handelte es sich um sogenannte Endverbleibserklärungen. Mit ihnen wird gegenüber den deutschen Genehmigungsbehörden dokumentiert, wo die exportierten Waffen dauerhaft eingesetzt werden sollen.

Die tatsächlichen Empfänger - mexikanische Unruheprovinzen und Polizeikräfte, denen schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden - tauchten in diesen Dokumenten nicht auf. Zwei ehemalige "Heckler & Koch"-Mitarbeitende sollen dafür verantwortlich sein, sie wurden vom Landgericht zu Bewährungsstrafen verurteilt. Vom Unternehmen selbst wurden rund 3,7 Millionen Euro eingezogen.


Grundsatzentscheidung für die gesamte Rüstungsbranche

Für Holger Rothbauer, den Anwalt der "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!", hat die Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eine grundsätzliche Bedeutung für die gesamte deutsche Rüstungsbranche. Denn anders als bislang üblich sah das Landgericht Stuttgart die frisierten Endverbleibserklärungen nicht als Bestandteil der Exportgenehmigung an. Damit stellten die illegalen Exporte keinen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz dar.

Sollte diese Einschätzung vor dem BGH Bestand haben, sieht Rothbauer die bisherige Rüstungsexportpraxis in Frage gestellt. Er hofft jedoch auf ein anderes Urteil: "Es wäre ein historischer Erfolg, wenn der BGH einerseits für dieses Strafverfahren die sechs Jahrzehnte währende Exportgenehmigungspraxis mit den Endverbleibserklärungen als rechtlich verbindlich bestätigen, gleichzeitig jedoch den Etikettenschwindel mit ihnen als völlig untaugliches Mittel der Rüstungsexportkontrolle bezeichnen würde."


Konsequentes Urteil hätte Signalwirkung

Die Opfer in Mexiko spielten im bisherigen "Heckler & Koch"-Prozess keine Rolle. Ohne Rüstung Leben und weitere Organisationen füllten diese Lücke, indem sie Betroffene aus Mexiko in Deutschland begrüßten. Zum Beispiel Leonel Gutíerrez Solano, dessen Bruder seit mehr als sechs Jahren im Koma liegt - mutmaßlich getroffen von einer Kugel aus einem deutschen G 36-Sturmgewehr.

Carola Hausotter von der "Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko" ist sich dennoch sicher, dass der Prozess gegen "Heckler & Koch" für die Menschen vor Ort von großer Bedeutung ist: "Für die Opfer deutscher Waffen hat ein konsequentes Urteil Signalwirkung. Es würde aus ihrer Sicht Gerechtigkeit schaffen und die Chance für eine juristische Aufarbeitung der Verbrechen in Mexiko eröffnen."

 

Das BGH-Verfahren trägt das Aktenzeichen 3 StR 474/19. Die Verhandlung ist öffentlich, eine Teilnahme somit grundsätzlich möglich. Durch die Hauptverhandlung wird der Bundesgerichtshof in eigener Zuständigkeit entscheiden. Ein Urteil wird für die erste Jahreshälfte 2021 erwartet.

 

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Mehr Informationen

 

Lesen Sie hier, wie Ohne Rüstung Leben den Prozess begleitet hat:

15. Mai 2018: Mahnwache zum Prozessbeginn vor dem Landgericht

25. September 2018: Kritische Aktionäre auf der Hauptversammlung von "Heckler & Koch"

9. Oktober 2018: Podiumsgespräch zu Ayotzinapa mit Gästen aus Mexiko

19. Februar 2019: "Aktion Aufschrei" - Stellungnahme zum erwarteten Urteil

25. Februar 2019: Gerichtsurteil: Exportgenehmigung nach Mexiko war erschlichen

 

Mehr über Waffenexporte nach Mexiko in unserer neuen Studie:

"Deadly Trade" - Internationale Studie zu Waffenexporten nach Mexiko

In Mexiko herrscht ein blutiger Drogenkrieg. Die Polizei ist in einigen Regionen von organisierter Kriminalität unterwandert. Weltweite Beachtung fanden 43 Studenten, die der Praxis des "Verschwindenlassens" zum Opfer fielen. Deutsche Waffen von "Heckler & Koch" und "Sig Sauer" tauchen immer wieder in Mexiko auf - auch dort, wo sie nie sein durften.

Auf unserer Themenseite finden Sie alle aktuellen Nachrichten zu deutschen Rüstungsexporten nach Mexiko.

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